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Balthasar Neumann

Am 19. August 2003 jährt sich zum 250. Male der Todestag des Baumeisters Balthasar Neumann. Balthasar Neumann gehört zu den berühmtesten Baumeistern des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Wir Gößweinsteiner können – nicht ganz ohne Stolz – auch ein Werk dieses genialen Architekten unser Eigen nennen: die Basilika. Dieses Bauwerk zählt zu den sakralen Monumentalbauten, die im Lebenswerk Balthasars Neumanns einen wichtigen Stellenwert einnehmen.

Daher sehen wir Gößweinsteiner es als eine angenehme und selbstverständliche Pflicht, das 250. Todesjahr des Baumeisters mit einer Reihe von Veranstaltungen zu gedenken.

Die Barockarchitektur Süddeutschlands ist der glanzvolle Schlussakkord der neuzeitlichen europäischen Baukunst, die bereits im 16. Jahrhundert in Rom ihren Ausgang genommen hatte und sich während des 18. Jahrhunderts in Österreich und Böhmen und dann in Bayern und Franken vollendete. Hier entstanden in einer großen, universalen Zusammenfassung verschiedener Richtungen und Bauideen, die längst in Italien oder Frankreich geprägt worden waren, ganz neue, ungemein geistreiche und phantasievolle Konzepte für Kirchen und Klöster, Schlösser und Paläste. Dies gilt selbst für kleinere Bauten wie Kapellen, die so im Bauwesen der vorangehenden Zeit noch undenkbar gewesen wären. Der Protagonist am Anfang dieser Baukunst war Johann Bernhard Fischer von Erlach in Wien, am Ende stand Balthasar Neumann in Würzburg, dessen Schloss- und Kirchenbauten zu einem Höhepunkt des Barock in Europa wurden.

Wer von seinen Zeitgenossen hätte es damals für möglich gehalten, dass eines Tages der am 30. Januar 1687 als Sohn eines Tuchmachers geborene Balthasar einer der besten Baumeister der damaligen Zeit werden würde? In Eger geboren und in sozialen Verhältnissen aufgewachsen, die von der bitteren Armut des Elternhauses geprägt waren, trat er in seiner Heimatstadt die Lehre als Geschütz- und Glockengießer sowie als „Büchsenmeister der Ernst- und Lustfeuerwerkerey“ an. Danach begab sich Neumann auf Wanderschaft. Sein Weg führte ihn nach Würzburg (seine Mutter war Würzburgerin),wo er in die Dienste des berühmten Geschütz- und Glockengießers Ignaz Kopp trat. Hier machte er die Bekanntschaft mit dem Ingenieurhauptmann und Architekten Andreas Müller, der Neumanns besonderes Talent für Architektur erkannte. Ab 1712 begann er die Fächer Geometrie, Feldmesserei und Architektur zu studieren, wobei ihm seine Heimatstadt Eger ein Darlehen gewährte. Dieses Darlehen hat Neumann wohlgemerkt in späteren Jahren wieder zurückerstattet. Mit 27 Jahren trat er 1714 als Fähnrich in die fürstbischöfliche Leibgarde ein und nahm 1717 mit dem fränkischen Truppenkontingent an der Schlacht gegen die Türken bei Belgrad unter Führung von Prinz Eugen teil. Die Militärlaufbahn, die er mit vielen Architekten seiner Zeit teilte, machte ihn während einer Reise nach Wien und Mailand mit der dortigen Barockarchitektur bekannt. Nach der Rückkehr Neumanns erfolgte seine Beförderung zum Ingenieurhauptmann.

1719 wurde zu seinem Schicksalsjahr. Gerade zu diesem Zeitpunkt hatte Balthasar Neumann seine Architekten- und Baumeisterausbildung beendet, als Johann Philipp Franz von Schönborn den Bischofsthron zu Würzburg bestieg. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt entschloss sich der Regent, seine Hofhaltung von der Festung Marienberg hinunter in die Stadt zu verlegen. Der Bischof war aufmerksam geworden auf das große Talent Neumanns und beauftragte ihn, Pläne für den Bau einer neuen Residenz zu entwerfen, obwohl dieser bisher weder ein größeres Bauwerk entworfen, noch gebaut hatte.

Somit verdankt es Balthasar Neumann der Adelsfamilie der Schönborns, sein großes Talent entwickelt und seine kühnen Bauträume verwirklicht haben zu können. Das in Balthasar Neumann schlummernde Talent wäre wohl nie zur Entfaltung gekommen, hätte er nicht das Glück gehabt, in Diensten einer der kunstsinnigsten deutschen Regenten seiner Zeit zu stehen. Vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis in die Mitte des 18. Jahrhundert regierten Mitglieder der Familie Schönborn die geistlichen Fürstentümer von Würzburg, Bamberg, Mainz, Trier, Speyer, Konstanz und Worms. Die größte Leidenschaft der Schönborns war die Lust am Bauen. Lothar Franz war, wie er selbst es ausdrückte, vom „Bauwurmb“ geplagt. „Das Bauen ist ein Teufelsding; wenn man einmal angefangen hat, kann man danach nicht aufhören“; so beklagte der Kurfürst seine eigene Manie.

Mit der Familie Schönborn war Neumanns Schaffen von Anfang bis Ende verbunden; er war deren Hausarchitekt. Obwohl Neumann nur in Würzburg und dann auch in Bamberg in einem festen Dienstverhältnis stand, wurde er doch immer wieder bei größeren Planungsvorhaben und bei festgefahrenen Bausituationen von den übrigen Schönborns um Hilfe und Rat gebeten. Dabei fielen mit zunehmender Berühmtheit gelegentlich auch andere Aufträge an, die mit der Familie direkt nichts zu tun hatten, aber ohne die Familie kaum zustande gekommen wären. So war Neumann auch für den Kurfürsten von Köln, dem Herzog von Württemberg, für den Wiener Kaiserhof und nicht zuletzt auch für Klöster tätig, die außerhalb der schönbornschen Lande lagen; so für die Aufträge in Neresheim und Amorbach. Ohne die Schönborns wäre Neumann niemals das geworden, was er war.

1725 heiratete Neumann die Tochter des Geheimen Hofrats Dr. Schild, eine Verbindung, die den raschen sozialen Aufstieg des einstigen Geschützgießers deutlich macht. Dieser Ehe entstammen acht Kinder, darunter Ignaz Michael, der später dann wie sein Vater die Architektenlaufbahn einschlug und hierin ebenfalls Außerordentliches leistete. Im Jahre 1729 bestieg mit Friedrich Karl wieder ein Schönborn den Bischofsstuhl.

Während seiner Amtszeit begann für Neumann die umfangreichste Periode seines Schaffens. Er wurde zum Oberbaudirektor für das militärische, kirchliche und zivile Baugeschehen der Hochstifte Würzburg und Bamberg. Außerdem war er nun verantwortlich für die Amts-, Straßen-, Brücken- und Wasserbauwerke sowie die Schlösser des Fürstbischofs einschließlich ihrer Gärten. Er war, so würde man heute sagen, Stadtplaner für Würzburg und Bamberg. Weiterhin betreute er planend und begutachtend eine große Anzahl ländlicher Kirchen und Profanbauten. Es entstanden Bauwerke höchsten europäischen Ranges wie die Schlösser Berneck und Bruchsal, Kirchenbauten wie Münsterschwarzach, Gößweinstein, Vierzehnheiligen und Neresheim.

Zurück zum Jahr 1729. Zu diesem Zeitpunkt wurde Balthasar Neumann nämlich mit der Erstellung eines Planes für eine neu zu errichtende Wallfahrtskirche in Gößweinstein beauftragt. Die Bestrebungen für eine neue Kirche sind allerdings schon älter. Bereits vor 1700 wurde von Gößweinsteiner Pfarrern immer wieder die Dringlichkeit eines Kirchenneubaues betont, da das alte Gotteshaus infolge der rapid zunehmenden Wallfahrerzahl zu klein geworden war. Erst ab dem Jahre 1715, als Johann Eberhard Dippold – geboren in Drosendorf bei Hollfeld - Kaplan und dann 1717 Pfarrer von Gößweinstein wurde, gewann der Gedanke eines Neubaus feste Form. Dippold wandte sich mehrfach mit Eingaben an Fürstbischof Lothar Franz, dem Onkel Friedrich Karls, und bat ihn, den Kirchenneubau zu genehmigen. Daraufhin ließ der Fürstbischof von verschiedenen damals berühmten Architekten wie Maximilian von Welsch, Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Gruenstein und Johann Dientzenhofer Pläne ausarbeiten. Lothar Franz jedoch konnte sich für eine Realisierung des Neubaues nicht entscheiden, da seiner Meinung nach die Kosten hierfür zu hoch ausfielen.

Die Wahl des Vizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn zum Fürstbischof von Bamberg im Jahr 1729 bedeutete schließlich die entscheidende Wende für die Planungen zum Neubau der Wallfahrtskirche Gößweinstein. Neumann wurde mit deren Ausführung betraut. Es war ein einmaliges Glück für Gößweinstein, dass nun drei so hervorragende Männer wie der kunstsinnige Fürstbischof Friedrich Karl, der kluge und energische Pfarrer Dippold und der geniale Architekt Neumann zusammenarbeiteten, um zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit ein herrliches Gotteshaus zu errichten. Nach Aussagen von Pfarrer Dippold war anfangs eine einfache Kirche mit nur einem Turm, ohne alle Bildhauerei und

äußeren Schmuck vorgesehen. Durch Dippolds Sparsamkeit und eigenhändiger Bauleitung (!) konnte aber, wie der Pfarrer sich seinem Bischof gegenüber rechtfertigte, „der herrliche Tempel von bestem Material, mit Zieraten, zwei Türmen und einer Fassade von ansehnlicher Majestät hergestellt werden“.

Der Bau wurde nicht in Accord einem Baumeister übergeben, sondern in eigener Regie des Gotteshauses durchgeführt. Die künstlerische Leitung lag ausschließlich in den Händen Neumanns. Jede vorzunehmende Arbeit musste zuerst von ihm gutgeheißen werden. Aufgrund neuester Forschungen durch Dr. Johann Kettner können insgesamt 24 Inspektionsaufenthalte Neumanns während der Erbauungszeit in Gößweinstein nachgewiesen werden. Bei keinem anderen Sakralbau hatte der Baumeister den Baufortgang in dem Maße überwacht, wie dies in Gößweinstein der Fall war. Bei den Kirchen von Vierzehnheiligen und Neresheim – deren Fertigstellung Balthasar Neumann nicht erlebte – wurden manche Details nicht genau nach den Plänen des Würzburger Baumeisters in die Tat umgesetzt.

Nun einige Daten zur Baugeschichte: Am 20. August 1729 wurde der Platz von Balthasar Neumann besichtigt und abgemessen. Am 4. Mai 1730 legte er der geistlichen Regierung in Bamberg seine Pläne vor. Einen Monat später wurde der Grundstein in Anwesenheit des Meisters gelegt. Während die Grundmauern des Neubaus auf die sechs Meter tiefen Fundamente aufgerichtet wurden, blieb die alte Kirche zunächst noch stehen. Man brach sie erst im Sommer 1731 ab. Nach vierjähriger Bauzeit war der Rohbau fertiggestellt. In den darauffolgenden Jahren ging die Arbeit nur sehr langsam voran, weil das Geld knapp geworden war. Die Einweihung der neuen Kirche konnte somit erst am 14. Mai 1739 stattfinden. Die Konsekration erfolgte durch Fürstbischof Friedrich Karl unter größtmöglicher Prachtentfaltung. Unterstützt wurde die Bedeutung dieses Aktes noch durch die Anwesenheit der Weihbischöfe von Würzburg und Bamberg, Äbten verschiedener fränkischer Klosterabteien sowie Dekanen und Pfarrern der ganzen Umgebung. Bei den Einweihungsfeierlichkeiten waren laut Berichten von Pfarrer Dippold etwa 20 000 Gläubige zugegen.

Mit dem Tag der Kirchenweihe aber war die Innenausgestaltung noch lange nicht vollendet. Deren Fertigstellung sollte sich noch bis zum Jahre 1768 hinziehen. Diese innere Ausgestaltung erfolgte unter Leitung von Johann Michael Küchel, der 1735 Neumanns Mitarbeiter im fürstbischöflichen Bauamt im Hochstift Bamberg wurde. Nach seinen Plänen wurden Altäre, Kanzel und andere Ausstattungsstücke errichtet.

Nach dem Bau der Klosterkirche Münsterschwarzach, die leider durch die Folgen der Säkularisation 1821 abgebrochen wurde, ist die Basilika Gößweinstein der zweite sakrale Monumentalbau Balthasar Neumanns. Der Gößweinsteiner Kirchenbau bildet einen wichtigen Meilenstein im Schaffen Neumanns, denn hier wurde die Tendenz zum Idealtyp des barocken Sakralbaus, dem Einheits- oder Zentralraum, weiterentwickelt Seinen Höhepunkt erreichte dieser Raum in Vierzehnheiligen und Neresheim. Beim Gößweinsteiner Gotteshaus wählte der Architekt als Grundriss die Form des lateinischen Kreuzes, behandelte sie aber mit dem Ziel, Chor und Querarme räumlich mit der Vierung zu verschmelzen. Das zweistöckige Langhaus ist seitlich von schmalen Anräumen, die wie Nischen wirken, zwischen Wandpfeilern mit Durchgängen begleitet. Dadurch empfindet man eine stärkere Breitenwirkung des Langhauses als seine Ausdehnung in die Länge. Gegen die Vierung setzt Neumann das Langhaus deutlich ab. Der Raumzusammenhang zwischen Chor, Querhausarmen und Vierung, sowie die dreiteilige Altareinteilung im vorderen Teil des Innenraumes, ergeben somit ein

Dreiecksmotiv. Dies gilt als Anspielung auf die Heiligste Dreifaltigkeit, der die Kirche geweiht ist. Das Trinitätsmotiv ist aber auch anderweitig erkenntlich: So erhält die Kirche drei Türme; die Außenfassade ist in drei Vertikalachsen gegliedert, den beiden Turm- und der Mittelachse. Zwei Jahre nach der Einweihung der Gößweinsteiner Wallfahrtskirche wurde Neumann zum hochfürstlich-würzburgischen Oberst ernannt, dem höchsten Dienstgrad im damaligen Militärwesen.

Balthasar Neumann steht im Zenit seines Schaffens, als 1746 sein fürstlicher Gönner, Friedrich Karl, mit 72 Jahren stirbt. Nachfolger wurde Anselm Franz von Ingelheim, ein Gegner der Schönborn. Er begann schon bald nach seinem Amtsantritt diejenigen auszuschalten, die Friedrich Karl zu Diensten standen. So verlor auch Neumann sein Amt als Oberbaudirektor, ihm blieb nur die Besoldung als einfacher Offizier. Doch auch ohne den Titel eines Oberbaudirektors behielt Neumann seinen herausragenden Ruf, der sich bis an den Hof des österreichischen Kaisers in Wien verbreitet hatte. Als Fürstbischof Ingelheim 1749 starb, rief dessen Nachfolger, Carl Philipp von Greiffenclau, ein Verwandter der Schönborn, Neumann in sein altes Amt zurück. Neumanns Arbeitsfreude war ungebrochen, der Zwang zu reisen bestimmte wieder seinen Alltag. Doch Alter und Strapazen zehrten an seinen Kräften. Nach kurzer Krankheit starb Balthasar Neumann am 19. August 1753 in Würzburg. Die Stadt trauerte um ihren hoch geachteten und durch die Freundlichkeit seines Wesens sehr beliebten Mitbürger. Gerühmt wurden auch Neumanns vorbildlicher Lebenswandel und seine Frömmigkeit.

So möchte ich am Ende zu bedenken geben, um wie viel ärmer unser Frankenland wäre ohne die einzigartigen Bauten eines Balthasar Neumann. Wie viel ärmer wäre Gößweinstein, die Fränkische Schweiz, ohne dieses Gotteshaus, zu dem seit Jahrhunderten unzählige Tausende von Gläubigen pilgern, um hier Gottes Hilfe und Segen zu erbitten, Kraft für ihr Leben zu erlangen und den Glauben an den zu stärken, zu dessen Ehre diese Kirche erbaut worden ist: Ad Majorem Dei Gloria – zur größeren Ehre Gottes!

Georg Schäffner

Quellenangabe:

  • Bernhard Schütz: Balthasar Neumann. Herder Freiburg – Basel – Wien; 1987
  • Hanswernfried Muth: Aus Balthasar Neumanns Baubüro. Mainränkisches Museum Würzburg; 1987
  • Johann Kettner: Die Baumeister in Gößweinstein (1727-1744). Historischer Verein Bamberg, 130. Bericht 1994
  • Hans Reuther: Wallfahrtsbasilika Gößweinstein. Verlag Schnell & Steiner München – Zürich 1988
  • P. Dr. Luchesius Spätling OFM: Die Wallfahrt zur Kirche von Gößweinstein in Geschichte und Gegenwart. aus Festschrift „250 Jahre Wallfahrtsbasilika Gößweinstein 1739-1789", 1989