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Faszination Wallfahrt

Wallfahrt von Gößweinstein nach Vierzehnheiligen und wieder zurück nach

Gößweinstein im Mai 2009
von Christine Müller

An einem Freitag Morgen um 4.00 Uhr klingelt der Wecker. Beim Aufstehen ist es draußen noch stockdunkel und für einen kurzen Moment frage ich mich, warum ich mir dies Jahr für Jahr immer wieder zumute. Schnell verfliegt dieser Gedanke, denn ich muss prüfen, ob ich auch wirklich für jegliche Witterung gerüstet bin. Dann versammelt sich die Wallfahrtsgruppe vor der Basilika in Gößweinstein. Eine große Anzahl der Teilnehmer war bereits in den Jahren davor auch dabei und ein freudiges „Hallo“ ist aus allen Richtungen des Kirchplatzes zu hören. Dabei wird es allmählich hell.

Pünktlich um 5.00 Uhr beginnen wir unsere Wallfahrt und verlassen Gößweinstein in Richtung Behringersmühle mit dem Lied „Beim frühen Morgenlicht erwacht mein Herz und spricht...“ Im Tal ziehen die Nebelschwaden über die Püttlach und den Ailsbach, ein etwas mystischer Anblick, der mich aber immer wieder beeindruckt. Während des Anstiegs hinauf zum Schweigelberg halten wir die erste Gebetspause und so bleibt etwas Zeit, um Neuigkeiten auszutauschen oder um einfach die würzige Waldluft zu genießen. Betend und singend ziehen wir dann durch Wald und Flur. In den Ortschaften läuten stets aufmerksam die Glocken der Dorfkapellen.

An der „Weißen Marter“ bei Köttweinsdorf halten wir kurz inne und werfen nochmals einen Blick zurück auf die Kirchtürme der Gößweinsteiner Basilika. Unser Weg führt uns nun auf Feldwegen vorbei an üppigen Wiesen, Getreide- und Maisfeldern. Spätestens jetzt lasse ich so einiges an Alltagssorgen abfallen und genieße unsere wunderschöne Landschaft. In den Gebeten nehmen wir teil an den Problemen und Nöten unserer Mitmenschen. Die Wallfahrer untereinander beten abwechselnd vor. Die Hauptarbeit jedoch hat der Wallfahrtsführer Georg Schäffner.

Wir beten für unsere Kranken und Alleingelassenen, für Arbeitslose und viele Andere, denen es nicht so gut geht. Die Palette der Gebete ist sehr breit gefächert. Sie stimmt nachdenklich, macht Mut, ja lässt uns wieder auf den Boden kommen und schärft den Blick für das wirklich Wichtige. Im alltäglichen Leben vergessen wir leider all zu oft, worauf es tatsächlich ankommt.

Nach und nach erreichen wir Eichenbirkig, marschieren dann steil bergab zur Pulver-mühle und erreichen schließlich unser erstes Etappenziel Nankendorf. Hier geht es zur Frühstückspause in die Brauerei Polster. Wieder ist Zeit für ein interessantes Gespräch bei einer Tasse Kaffee. Man erinnert sich zurück, was im letzten Jahr alles gewesen ist (in diesem Falle z.B. die Bankenkrise, Kurzarbeit in vielen Betrieben) und ist trotzdem erstaunt, wie schnell wieder ein Jahr vorüberging. Danach brechen wir auf, verlassen Nankendorf und steigen im Wald den Berg hoch. Der Weg verläuft weitab vom Straßenlärm über nadelreiche Waldwege. Unsere Gebete sind Ausdruck von Zweifel und Hoffen, von Dankbarkeit und den Fragen nach dem „warum“ – immer wieder aber auch von großer Zuversicht. Beim Konzentrieren auf bestimmte Texte oder Lieder verfliegen die Kilometer wie im Nu. Bei einer kleinen Kapelle in der Nähe von Scherleithen waren doch tatsächlich die Heinzelmännchen zugange. Dies ist kein Scherz, denn wie in jedem Jahr finden wir dort einen Kasten Bier und alkoholfreie Getränke vor. Vergelt’s Gott dafür !

Nach einer kurzen Rast im grünen Gras geht es nun zügig weiter. Auf der Strecke der stillgelegten Bahnlinie laufen wir abwechselnd betend und singend gen Hollfeld. In Hollfeld ist dann Mittagspause, was vor allem unsere erneut trockenen Kehlen zu schätzen wissen. Frisch gestärkt geht es nun durchs Kainachtal, ein herrlich ruhiges Tal ohne Straßenverkehr, was in unserer Zeit sehr selten geworden ist. Wir haben noch zwei bis zweieinhalb Stunden Gehzeit vor uns. Die Füße werden schwerer, die Sonne brennt und das Beten und Singen geht nicht mehr so mühelos wie am Morgen.

Nach dem Ort Krögelstein (ein faszinierendes Felsendorf) müssen wir noch ein längeres Straßenstück bewältigen, bevor wir wieder den ersehnten Wald erreichen, der uns etwas Schatten spendet. Bald schon können wir in der Ferne den Ort Buckendorf erkennen, aber trotzdem haben wir noch ca. 30 bis 40 Minuten Gehzeit vor uns. Wer möchte, bekommt ein Schnäpschen. Angeblich müsse man dann nicht so sehr schwitzen und man hätte viel weniger Durst. Ob das wohl stimmt? Ich selbst habe es noch nicht ausprobiert.

Durstig, erhitzt und etwas müde erreichen wir gegen 17.00 Uhr das Örtchen Buckendorf. Mit dem Lied „Großer Gott wir loben Dich.....“ ziehen wir in das kleine Kirchlein ein. Etwa 34 km haben wir an diesem Tag per pedes zurückgelegt. Nun werden etwa 75 Wallfahrer auf ungefähr 25 Häuser aufgeteilt. Dies bedeutet, dass beinahe jede Familie 3 bis 6 Übernachter unterbringt. Mich beeindruckt diese Gastfreundschaft stets aufs Neue. Wackeligen Fußes kommen wir bei unserem Quartier an, wo wir schon freundlich erwartet werden. Wir bekommen zu Trinken, und nachdem man uns das Zimmer gezeigt hat, drückt mir die Hausfrau den Hausschlüssel in die Hand mit dem Kommentar „Ihr kennt Euch ja aus.....“

Nach einer erfrischenden Dusche sind die Füße wieder erholt und auf geht’s zum gemütlichen Teil des Tages. Die Feuerwehr Buckendorf hat eine komplette Mannschaft zum Grillen abgestellt. Die Verpflegung ist vorzüglich und das Bier mundet hervorragend. Die Stimmung unter den Wallfahrern ist heiter bis ausgelassen. Nach einiger Überredung holen unsere Musiker die Instrumente hervor, was die Stimmung nur noch mehr steigert. Irgendwie gehört dies zu einer Wallfahrt dazu. Eine Wallfahrt soll ja in geraffter Form den Lebensweg versinnbildlichen. Höhen und Tiefen, Regen und Sonnenschein. Mal geht es leicht, mal ist man erschöpft . Doch das Lachen sollte unbedingt ein wichtiger Begleiter sein, ohne dabei das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren.

Am nächsten Tag, Samstag, bekommen wir von unserer Gastfamilie um 4.30 Uhr ein königliches Frühstück serviert. Kurz vor 5.00 Uhr versammeln wir uns alle vor dem Kirchlein. Welch ein Wunder, alle sind da, niemand hat verschlafen obwohl die Nacht recht kurz war. Um 5.00 Uhr ziehen wir los und singen wieder das Lied „Beim frühen Morgenlicht.....“ Nachdem wir Buckendorf hinter uns gelassen haben, überqueren wir die Brücke über die A 70, verlassen später die Teerstraße und biegen ein ins Kleinziegenfelder Tal. Wirklich gute Fürbitten begleiten den Weg durch das landschaftlich sehr reizvolle Tal. Nach dem Ort Kleinziegenfeld machen wir Halt, unterbrechen unser Gebet, denn nun geht es steil bergauf. Im Gänsemarsch gehen wir, einer hinter dem anderen, die Leite hoch, jeder in seinem Tempo. Oben angelangt, sammeln wir uns unterhalb eines Wegkreuzes und ziehen dann in Wald und Flur weiter, weit weg von Straßen und Autos. Einige Wallfahrer haben Gebete mitgebracht, die sie selbst vortragen. Das verstärkt den Gemeinschaftssinn nur noch mehr, weil jeder auf seine Weise mitwirken kann und darf..

So manches Mal hatten wir auch schon über Stunden hinweg unerbittlichen Regen. Dann ist man etwas introvertierter, zieht sich in sich zurück und vertraut darauf, dass sich die dunklen Wolken wieder verziehen. Manchmal geht das schlechte Wetter bald wieder vorbei, aber es kommt auch vor, dass man glauben könnte, es ändert sich gar nicht mehr. Dann heißt es durchhalten, weitergehen und den Mut nicht verlieren - so wie im richtigen Leben.

Wir passieren noch ein paar Dörfer und schon ist es nicht mehr weit bis zum Ort Lahm. Welch ein sinniger Ortsname ..... Dort machen wir nochmals kurz Rast, bevor wir dann zum „Endspurt“ loslegen. Es hat sich zur Tradition entwickelt, dass wir auf diesem Wegstück den „Totenrosenkranz“ beten. Wir beten den Schmerzhaften Rosenkranz und bei jedem Gesetz nehmen wir uns etwas Zeit und denken, jeder für sich, an eine Person, die (sei es schon vor langer Zeit oder erst kürzlich) verstorben ist. Das kann ein Familienangehöriger, Verwandter, Nachbar, Lehrer, Prominenter......sein. Erstaunlich, an welche Leute man sich auf diese Weise wieder erinnert. So wird uns die Endlichkeit unseres Daseins bewusst gemacht, was wieder so einiges relativiert.

Auf den letzten Kilometern wird die Straße immer enger. Wie gut, dass einige Helfer der Freiwilligen Feuerwehr den Verkehr regeln, denn ganz ungefährlich ist das Wallfahrten auf der Straße nicht. Allmählich wird es spannend. Wie viele Wegbiegungen sind es noch? Endlich haben wir den Waldrand erreicht. Wir schreiten im schattigen Laubwald den steilen Berg hinab und wie aus dem Nichts taucht plötzlich die Basilika Vierzehnheiligen vor uns auf. Für diejenigen, welche zum ersten Mal dabei sind, ein sehr bewegender Moment. Man hat es tatsächlich geschafft und hat die 59 Kilometer von Gößweinstein bis Vierzehnheiligen zu Fuß bewältigt.

Wir werden von einem Priester, einem Franziskanerpater, abgeholt und tüchtig mit Weihwasser benetzt. Beim feierlichen Einzug in die Basilika spielt die Musik das Lied „Ein Haus voll Gloriae schauet, weit über alle Land........“ Ein wirklich passendes Lied für diese prachtvolle Basilika. Nach einer kurzen Begrüßung in der Kirche haben wir etwa zwei Stunden Zeit zum Mittagessen und für die Besichtigung des gelungenen Gotteshauses. Der Baumeister Balthasar Neumann verstarb noch vor Fertigstellung dieser Basilika und hat somit das vollendete Werk nie gesehen. Vielleicht dürfen auch wir hoffen, dass so manches Werk, welches wir in diesem Leben beginnen, nach unserem Ableben weitergeführt wird? Der Wallfahrtsgottesdienst bildet den eigentlich offiziellen Abschluss der Wallfahrt. Nach dem Auszug darf man sich entscheiden, ob man nun nach Hause fährt oder zurück nach Buckendorf, um von dort Sonntag früh zurückzulaufen. Eine kleinere Gruppe von 15 bis 20 Leuten läuft gleich wieder von Vierzehnheiligen zurück nach Buckendorf (25 km), um dort noch abends zu einer christlichen Zeit anzukommen.

Am Sonntag früh, 6.00 Uhr tritt eine merklich kleinere Gruppe als am Samstag den Rückweg von Buckendorf nach Gößweinstein an. An der weißen Marter erwartet uns gegen 16.00 Uhr ein Grüppchen, welches mit uns die letzten Kilometer zurück nach Gößweinstein läuft. Die letzte große Hürde ist der Berg von Behringersmühle hoch nach Gößweinstein. Im Gänsemarsch laufen wir den steilen Berg, der gar nicht enden will, hoch. Oben angelangt, erwarten uns bereits die Musiker. Es ist später Nachmittag.

Wir stellen uns ordentlich in Reih und Glied auf, denn nun kommt ein weiterer bewegender Teil unserer dreitägigen Wallfahrt. Mit dem Lied „Großer Gott, wir loben Dich......“ ziehen wir in Gößweinstein ein. Viele Gößweinsteiner Angehörige der Wallfahrer säumen die Straßen. Wenn wir das alte Posthaus erreichen, beginnen die Glocken der Basilika mit einem klangvollen Festgeläute, das doch sehr bewegt.

Es ist die Freude und die Überwältigung, es wieder geschafft zu haben, gepaart mit leichter bis mittelschwerer Erschöpfung, dass der einen oder anderen, ja auch dem einen oder anderen ein paar Tränchen übers Gesicht kullern. Dankbar ziehen wir in unsere Gößweinsteiner Basilika ein und sagen Vergelt’s Gott bei allen, die zum Gelingen der Wallfahrt beigetragen haben. Unser besonderer Dank gilt unserem Wallfahrtsführer und Organisator Georg Schäffner.